Moana & the Tribe

MOANA MANIAPOTO

 MOANA MANIAPOTO Moana sieht auf den ersten Blick aus wie die jüngere Schwester von Cher. Die dunklen, wallenden Haare, der selbstbewusste, klare Blick, das starke, temperamentverheißende Profil. Moana hat schon rein äußerlich Starqualitäten. In ihrer neuseeländischen Heimat gilt die Sängerin und Songwriterin als die Diva der Maori-Musik. Doch sie ist mehr als das. Sie ist eine kämpferische Natur, die sich als politische Aktivistin versteht, die sich mit künstlerischen Mitteln für die Rechte der Maori einsetzt. Noch immer streben die Ureinwohner Neuseelands, die mehr als zwölf Prozent der neuseeländischen Bevölkerung ausmachen, nach Selbst-bestimmung und Souveränität. Moana hat mit ihrer Band, den Moahunters, verloren geglaubte musikalische Traditionen zu neuem Leben erweckt, hat die auf polynesischen Rhythmen und spirituellen Riten beruhenden Sounds der Maori mit zeitgenössischen Musikstilen verbunden und sie so für die internationale Musikszene gesellschaftsfähig gemacht. Und die Performerin Moana nutzt ihr Charisma für eine Bühnenshow, die man nicht alle Tage sieht. Backgroundsängerinnen wie aus Tausendundeiner Gospelnacht, Rapper, wie man sie aus dem pazifischen Raum wahrlich nicht erwartet, Tänzer, die wie Irrwische nervenaufreibende Kriegstänze der Maoris, den so genannten Haka, aufführen. Erstklassige Musiker, darunter Richard Nunns und Hirini Melbourne, die beiden tonangebenden Spezialisten für traditionelle Instrumente der Maoris, Taonga puoro genannt, sowie multimediale Effekte von Dokumentarfilmer Toby Mills runden das stets überwältigende Spektakel ab.

Das neu erschienene Album ist zugleich so etwas wie eine auf den optimalen Stand gebrachte Werkschau der enorm vielseitigen Künstlerin. Der Opener „Tahi" stammt von dem gleichnamigen Debütalbum aus dem Jahr 1993, das sich als erster gelungener Versuch erwies, die Musik der Maori in ein modernes Konzept einzubetten. Nicht nur in Neuseeland, wo das Album vergoldet wurde, avancierte das Erstlingswerk zum Bestseller, es machte selbst in Indien und Malaysia sowie auf Hawaii die Runde. Die zwölf restlichen Tracks bestehen zur einen Hälfte aus dem 1998 erschienenen Nachfolgealbum „Rua", zur anderen Hälfte aus neuen Aufnahmen. Bereits auf „Rua" hatte Moana ihr musikalisches Konzept um einige aufregende Fusionen und Kollaborationen erweitert. „Moko" etwa, ein Song, der die historische und spirituelle Bedeutung von Gesichts- und Körperzeichnungen und ihren Unterschied zu herkömmlichen Tattoos in einer englischsprachigen Spoken-Word-Performance explizit erklärt, ist mit einem clever-smarten Jazz-Groove mit Sogwirkung unterlegt. Und wenn sich Moana auf die Spuren ihrer „Ancestors" begibt , nutzt sie die Rhythmen des Haka, um daraus einen an die Talking Heads erinnernden Funk zu entwickeln. Nicht weniger entfesselnd „Treaty", ein Plädoyer für die Einhaltung jenes Friedensabkommens, das die Maori im Jahr 1840 mit der Kolonialmacht England schlossen und den Maoris jene Selbstbestimmung einräumte, für die die neuseeländische Stammeskultur noch heute vor den Vereinten Nationen streitet. Ein erdiger Funk-Beat und aus traditionellem Chanting (Tauparapara) entwickelte Rap-Einlagen demonstrieren, wie gut sich moderne westliche Grooves und maorisches Rhythmusgefühl ergänzen. Das gilt auch für die nervös flirrenden DrumnBass-Patterns auf „Aeiou", dem Track mit der größten Nähe zu elektronischer Musik.

MOANA MANIAPOTODie neuen Tracks zeigen eine Entwicklung, die sich bereits mit dem von Neil Finn produzierten „Kahu" (vom Album „Rua") angedeutet hatte: die Annäherung an westliche Popmusik. „Calling You" ist eine magische Ballade, die die ozeanischen Reisen und das nomadische Naturell der Maori beschreibt, und das mit den musikalischen Ingredienzen einer jazzangehauchten RnB-Ballade. Und um die Sanftheit der Soulballade „Hine te iwa" dürfte sie selbst manch gestandene Black Music Künstlerin beneiden. Wunderschön auch das sphärische „Nga Tamaraki o Te Kohu", das den vokallastigen Maori-Gesang von Moana zwischen schwereloser Elektronik und südeuropäisch anmutender Akustikgitarre einbettet. All das sind Fusionen, die mit Fug und Recht als innovativ bezeichnet werden können. Allein die polynesischen Rhythmen auf Instrumenten, die Wind und Wasser, Flora und Fauna zu imitieren scheinen, sind eine Entdeckung wert, doch in Verbindung mit den zeitgenössischen Sounds, für die Moana ihr Ensemble stets kongenial zu besetzen weiß, entsteht eine der gelungensten und kreativsten Gratwanderungen zwischen faszinierender World Music und frappierend schlüssigem Pop.

Moana Maniapoto hat fünf Geschwister. Ihr Vater stammt wie die meisten Maori ursprünglich aus dem Norden Neuseelands und machte sich in jungen Jahren als Rugbyspieler einen Namen. Gemeinsam mit seinen Arbeitskollegen gründete er die Maori Rhythm Boys, eine Gesangsformation, die sich nach dem Vorbild der Platters auf alte Doo-Wop-Nummern spezialisierte. Und nicht selten holten sie Moana, als diese noch ein Kind war, mit auf die Bühne. Moana studierte später Jura, ein Studium, das ihr bei ihrem politischen Engagement auch heute noch zugute kommt. Sie sang zunächst in diversen Bands in Auckland und Wellington, bevor sich langsam ihre Solokarriere herauskristallisierte. Ende der Achtziger gründete sie die Moahunters und trat bereits 1992 auf Einladung der Neville Brothers auf dem New Orleans Jazz & Heritage Festival auf. Zu den weiteren denkwürdigen Auftritten zählen ihre Performance für Nelson Mandela bei dessen Staatsbesuch in Neuseeland im Jahr 1996, beim Womadelaide Festival 1997 in Auckland, für das sie eigens die Performance-Show „Prophesies" entwickelte, sowie beim olympischen Festival of Dreaming 1998 in Sydney. Im Jahr 2000 gastierte Moana nur mit einem Gitarristen beim New Zealand Film Festival in Frankfurt und ein Jahr später trat sie auch in Italien und Frankreich auf. In Neuseeland ist sie mittlerweile regelmäßig zu Gast bei TV-Shows und überzeugt in Diskussionen mit Intelligenz, Witz und Charme. Durch den Dokumentarfilmer Toby Mills, der auch der Executive Producer des Albums „Toru" ist, hat sie auch Zugang zum Filmen gefunden. Es ist diese Vielseitigkeit, mit der sich Moana für die Zukunft alle künstlerischen Optionen offen hält. So ist „Knowing", der abschließende Song des nun vorliegenden Albums, ein delikater Popsong, der fast ein wenig an „I Got You Babe" von Sonny & Cher erinnert. Manchmal lohnt es sich, in die Fremde hinein zu horchen, um Vertrautes zu entdecken. Der Faszination, die Moana ausstrahlt, wird man sich auch in Europa nicht entziehen können. In 2002 kamen Moana & ihre Stammeskrieger "The Tribe", die die Musiker The Moahunters sowie die Tänzer von Ihu Waka umfasst, erstmals auf ausgedehnte Europatournee und für 2003 ist bereits eine neue Tournee geplant.